Dienstag, 24. Mai 2016

Ort des Geschehens: Regionalzug, 19:40 Zürich HB - SH

Beitrag von unserem treuen Schaffhausen.net Leser Thomas Strehler:

Ort des Geschehens: Regionalzug, 19:40 Zürich HB – Schaffhausen, Ende Mai

Aufgrund meiner schauspielerischen Tätigkeit an einem Theater bei Schaffhausen, mache ich mehrmals die Woche die Bahnfahrt von Zürich nach Schaffhausen.

Gerne nutze ich die Reisezeit um bevorstehende Probenszenen zu repetieren. In der Regel finde ich im Zug die nötige Ruhe dazu. Diesmal war es anders.

Wie so oft, gerade noch meinen Zug erwischt. Und siehe da, es hat auch noch Platz in einem Abteil. Ich mache es mir gerade bequem, als ich bemerke, wie eine Asiatin ebenfalls nach einem freien Platz Ausschau hält. Dann erfolgt unversehens der laute Ausruf: „Thanthao! Bisch es würkli?“ Die mir gegenüber sitzende Passagierin, dem Anschein nach eine Schweizerin, kennt offenbar die junge Frau. „Ähm, ja, hallo, ich bin es…“ meint die Asiatin mit gequältem Lächeln.

 „Thanthao, dass ich dich uusgrechnet jetzt wiedergsehn, das gits ja nööd. Chom, hock häre.“ sagt die Schweizerin mit schriller Stimme.

 „Ja, wirklich, das hätte ich auch nicht gedacht“, meint die Asiatin betont nüchtern, um anzufügen, dass sie halt nicht so gut Schweizerdeutsch spreche.

„Ach ja stimmt, habe total vergessen, dass du ja erst seit kurzem hier bist. Wie geht es dir, was machsch“, wollte sie wissen, während die Asiatin Platz nahm.

Mit der Ruhe war es nun vorbei, ich packte das Drehbuch in meine Tasche, an konzentriertes Lernen war hier nicht mehr zu denken. Es stellte sich heraus, dass Thanthao seit zehn Wochen in der Schweiz studiert und sich die beiden Frauen auf einer Geburtstagsfete gemeinsamer Bekannten kennenlernten. Ich kam nicht umhin, die Unterhaltung mit anzuhören . Während der Fahrt in immer ländlichere Gefilde, vorbei an Bülach, Eglisau und Rafz, schwärmte die Schweizerin von den Schönheiten der Schweizer Landschaft.

„Weisst du, eben noch in der Grossstadt Zürich, sind wir hier nun nach wenigen Minuten schon total auf dem Land. Hier gibt es sogar Bauern. Ja, da staunst du, was?“ Eher gelangweilt sah die Asiatin aus dem Fenster und nickte nur noch. „Jetzt kommt dann der Rheinfall. Kennst du den Rheinfall? Waaas? Nicht? Ja, den musst du unbedingt sehen!“ So ging der Monolog der lauten Schweizerin weiter. Das Thema drehte sich bald nur noch um den Rheinfall. Was das für eine Attraktion sei und die Leute von weit her kämen nur um den Wasserfall zu sehen. Die Studentin tat mir richtig leid, sie hatte es wohl aufgegeben zuzuhören.
Der Rheinfall in Neuhausen bei Schaffhausen - Europas grösster Wasserfall
Kurz vor Neuhausen rasselte nun auch noch das Handy der Schweizerin. Weil sie offenbar schlechten Empfang hatte, sprang sie reflexartig auf, eilte den Gang zurück und verliess das Abteil. Die Asiatin atmete hörbar durch. Just in diesem Augenblick, offenbarte sich am Fenster, das wild schäumend über die Felsformationen stürzende Wasser des Rheinfalls. Ich stupste die Studentin: „Das ist er nun, der angekündigte Rheinfall.“ Noch selten sah ich ein solches Leuchten in fremden Augen. Staunend genoss sie das nur Naturwunder. Ergriffen von der wilden Wucht der gewaltigen Wassermassen, hat es ihr sichtlich die Sprache verschlagen. Dankbar schaute sie mich an: „Ich freu mich schon auf die Rückfahrt, da will ich mir das nochmals in Ruhe ansehen“, erklärte die junge Frau in ihrem gebrochenen Deutsch.

Auch wenn das Schauspiel für Bahnreisende von kurzer Dauer ist: Der SBB sei Dank für diese aussichtsreiche Streckenführung!

24.Mai 2016, Thomas Strehler - Natel: 076 289 08 13

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