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Mittwoch, 3. Dezember 2014

Die Schweiz wählt # zum Wort des Jahres - Ein Review von Hermann-Luc Hardmeier

Gartenzaun, Gartenhag, Hashtag, vier gekreuzte Zündhölzli, oder wie man auch immer sagen möchte: Das Twitter-Zeichen # wurde zum Schweizer Wort des Jahres gewählt. Eine kurze Übersicht über die wichtigsten Resultate von Hermann-Luc Hardmeier.

Begründung der Jury: Der Wunsch nach Verdichtung und Schlagwörter schlägt sich in unserer Sprache nieder.

Bild: Poetryslammerin Hazel Brugger war Teil der Radio-SRF-Jury, welche das Wort des Jahres wählte. (Foto: www.srf.ch, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)


Im Vergleich zu den bisherigen Wörtern des Jahres sticht  # schon etwas heraus:

2013: Stellwerkstörung (SBB)
2012: Shitstorm
2011: Euro-Rabatt
2010: Ausschaffung
2009: Minarettverbot
2008: Rettungspaket
2007: Sterbetourismus
2006: Rauchverbot
2005: Aldisierung
2004: Meh Dräck
2003: Konkordanz

Zudem wird auch jedes Jahr das Unwort des Jahres und der Satz des Jahres gewählt.
Hier nur ein paar Outtakes:

Unwort des Jahres:
2014: Dichtestress
2013: Bio
2010: FIFA-Ethikkommission

Satz des Jahres:
2014: Es bleibt unbeständig (Wetter)
2012: Vada a bordo, cazzo!
2011: Das Leben ist kein Bonihof.
2009: Ich bin nicht gut integriert in der Schweiz - ich bin Schweizer (Granit Xhaka)
2004: Switzerland - zero Points.

Von Hermann-Luc Hardmeier

Und hier ist der ausführliche Bericht zum Wort des Jahres:

# ist das Schweizer Wort des Jahres

Warum die Jury das Twitter-Zeichen # zum Wort des Jahres gewählt hat. Ein Review zur Wahl von Hermann-Luc Hardmeier.

Jedes Jahr erwartet die Schweiz mit Spannung die Wahl zum Wort des Jahres. Weit mehr als 1000 Vorschläge haben 2014 die Jury unter SRF-Leitung erreicht und nun sind die Würfel gefallen. # sprich „Hashtag“ ist der Sieger bzw. die Siegerin. Hmm, woher kommt einem das Symbol denn eigentlich bekannt vor? Jaja, natürlich von Twitter, doch da war doch noch was anderes. Ah ja, richtig. Diese gekreuzten Linien bilden doch die Grundlagen des Tic-Tac-Toe-Spiels. Genau, das mit den Kreisen und Kreuzen, das überlebenswichtig für so viele langweilige Schulstunden war. Und nun ist es also Schweizer Wort des Jahres: Bravo! 2015 kommt dann wahrscheinlich 4-Gewinnt als Wort des Jahres und 2016 Mikado. Oder Monopoly.

Hashtag wird von älteren Menschen noch als „Gartenhag“ bezeichnet und vom helvetischen Mundwerk als „Häsch-Täg“ ausgesprochen. Da kann man sich einen plumpen Kneipenwitz nicht ersparen: Bob Marley hatte manchmal auch seine Häsh Täg, hahahaha. Wortwitz beiseite und weiter geht’s: Das Zeichen erlangte seine Berühmtheit in den sozialen Medien wie Twitter, Instagram und Facebook. Es gilt quasi als Postleitzahl für Gruppenmeldungen. In der Funktionsweise eine Weiterentwicklung des @-Zeichens, welche die E-Mails jeweils an den richtigen Adressaten weiterleitet. Kurz gesagt: # passt zu unserer heutigen Kommunikation und für den Wunsch des Verdichtens und Zeitsparens. Anstatt ein lustiges Foto mit dem Kommentar zu versehen: „Marc und Peter haben Spass in den Ferien“, wird das Ferienfoto kurzerhand mit #fun gekennzeichnet und jeder weiss Bescheid. Für die Jury bestehend aus dem Autoren Martin Suter, dem Schriftsteller Pedro Lenz, Ursula Schubiger vom Radio SRF, Daniel Quaderer, Bänz Friedli und Poetryslammerin Hazel Brugger steht der Begriff sinnbildlich für eine Gesellschaft und vor allem für eine Jugend, die rasch auf den Punkt kommt und für eine zunehmende Verdichtung der Sprache. Der Wunsch nach Schlagworten schlägt sich sozusagen in der Sprache nieder. Weniger ist manchmal mehr? Wenn man der Jury glaubt, dann auf jeden Fall.

 # hätte anstatt als Wort des Jahres vielleicht viel besser als Jugendwort des Jahres hergehalten. Auf die Anfrage von Hermann-Luc Hardmeier für die Zeitung "Schaffhauser Nachrichten" erklärte die Jury-Präsidentin jedoch, dass die Wahl des Jugendwortes aufgegeben worden sei. "Wir fühlen uns nicht qualifiziert dazu und versuchen, mit 20min.ch eine Zusammenarbeit beim Jugendwort zu erreichen", erklärte Ursula Schubiger gegenüber Hermann-Luc Hardmeier von den "Schaffhauser Nachrichten". Schade. Denn das Jugendwort  # wäre gar nicht so unpassend gewesen...

Selfie fällt in Ungnade

Es wurde eine Flut von Begriffen eingereicht und nach einigen Stunden wurden danach die Entscheidungen gefällt. Leicht gemacht hat man sich es dabei nicht, denn auch das Wort „Selfie“ hatte einen starken Anspruch auf das oberste Treppchen des Podests angemeldet. „Das ist mir jetzt eine Spur zu banal“, sagt Bänz Friedli, der seit 12 Jahren der Jury angehört. Es wäre seiner Meinung nach „das Naheliegendste“ und man sollte es sich als Jury nie zu einfach machen. „Man muss sich in 20 Jahren daran zurückerinnern und wird sich hoffentlich nicht mehr an diesen Stadtpräsidenten erinnern, der sein Handy nicht im Griff hatte“, sagte er und verweist augenzwinkernd auf den Skandal um das Nack-Selfie von Politiker und Stadtammann Geri Müller.

Unwort des Jahres: Dichtestress

Was wäre die Wahl des Wort des Jahres ohne ein Unwort des Jahres? „Dichtestress“ wurde von bürgerlichen Politikern Ende 2013 aus der Versenkung gezaubert. Ursprünglich stammt es aus der Tierwelt, doch es wurde eingefangen, gezähmt und darf nun für Pro- und Contra-Argumente für politische Initiativen an der Leine geführt werden. Beispielsweise für die „Masseneinwanderung“ oder „Ecopop“. Dabei wären doch genau diese zwei Begriffe herrliche Anwärter für Unwörter des Jahres gewesen. Dicht gefolgt von „Food Porn“ und nach den grauenhaften Ausstrahlungen von gewissen Flirt-Sendungen auf „drei +“ würde ich auch gerne „Bachelor“ dazuzählen. Die Jury ist des öffentlichen Gebrauchs des Wortes „Dichtestress“ müde und kritisiert völlig zu Recht, dass man in an einem gemütlichen Ort wie der Schweiz noch nie wirklich einen echten „Dichtestress“ erlebt hat.

Satz des Jahres: Es bleibt unbeständig

Die Meteorologen bei SRF sprechen manchmal, als seien sie mit dem Mähdrescher über den Duden gefahren. Wortkreationen, bis zum Rand angefüllt mit heisser Luft sind keine Seltenheit. Denn was soll ein Satz wie „Es bleibt unbeständig.“ schon aussagen? Irgendwie ein Widerspruch, wenn etwas bleiben soll, gleichzeitig aber unbeständig ist. Oder nicht? Diese Ambivalenz gefiel auch der Jury und der Seiltanz zwischen Regen, Sonne, Hochs und Tiefs beschreibe und charakterisiere doch eigentlich ganz herrlich die Grosswetterlage in der Schweiz. Ein bisschen unbeständig sind auch die Siegersätze der Jury zur Wahl des Wort des Jahres. 2009 beispielsweise wurde zum Jugendwort des Jahres ein ganzer Satz gewählt (vergleiche dazu den entsprechenden Bericht von Hermann-Luc Hardmeier auf der Website hermann-luc-hardmeier.ch)

Doch nun genug der Gartenzäune, unbeständigen Wetterlagen und gestressten Dichtern. Ich sag jetzt nur noch #Feierabend.

Von Hermann-Luc Hardmeier im Winter 2014.

Sonntag, 14. September 2014

Poetryslam Schweizermeisterschaft: Der Siegerwhiskey geht nach Bern

Der 42-jährige Christoph Simon sticht alle andern jungen Wortkünstler aus und wird Schweizermeister im Poetryslam 2014. Von Hermann-Luc Hardmeier 


Christoph Simon hält sich kurz vor seinem Siegerapplaus die Hand vor das Gesicht. Der Rummel um seine Person war ihm nicht so ganz recht. Bild: Hermann-Luc Hardmeier

Grosse Überraschung im Volkshaus in Basel. Am Samstagabend, 13. September 2014, wurde der neue Meister unter den Wortakrobaten gekürt. Und es war nicht einer der „üblichen Verdächtigen“. Zum Schluss stemmte Christoph Simon aus Bern den Siegerwhiskey in der Höhe. Hier die Story, wie es zu diesem Sieg kam. Beobachtet von knapp 900 Besuchern im Volkshaus und Hermann-Luc Hardmeier für Schaffhausen.net. In drei runden traten zwölf Slammer gegeneinander an. Unter ihnen viele bekannte Gesichter wie Hazel Brugger, die bereits einmal den Meistertitel sichern konnte. Oder Kilian Ziegler, der im Vorfeld in den Zeitungen als einer der Favoriten auf den Titel gehandelt wurde. (Und dies, obwohl es an einem Slam absolut verpönt ist, jemanden als Favoriten zu nominieren). Die zwei Schaffhauser Slampoeten (bzw. Ex-Schaffhauser) Diego Häberli und Lara Stoll schafften es leider nicht in die Finalrunde. Wie bei Poetryslam üblich, hatte jeder Poet fünf Minuten Zeit, einen Text vorzutragen. Der Text musste selbst geschrieben sein, auf Hilfsmittel wie Verkleidung, Instrumente und dergleichen musste verzichtet werden. Es war unglaublich, wie vielfältig und kreativ die Wortkünstler zu Werke gingen. Es wurde gerappt, gesungen, geturnt und natürlich getextet, was das Zeug hielt. Die Teilnehmerin Fatima Moumouni führte gekonnt ein kleines Poetry-Theaterstück auf, Jan Rutishauser Schlug ein Rad auf der Bühne, während er die Menschheitsgeschichte vom Urknall bis zum heutigen Datum Revue passieren liess. Inklusive Dinosaurier Tyrannosaurus Rex, der von einem Kometen dahingerafft wurde. Martina Hügi nahm die Sex-Selfie-Affäre einer Angestellten des Bundes zum Anlass, eine Parodie auf zweideutige Arbeit bei Staatsbetrieben zu schreiben. Dominik Muheim stahl einen Kindertraktor und erlebte ein turbulentes Abenteuer damit. Pierre Lippuner imitierte Trompetenklänge und erzählte von Liebeskummer, während er ein kleines Jazzkonzert parallel inszenierte. Natürlich alles nur mit seinem Mundwerk. Und, und, und. Das bis auf den letzten Platz besetze Volkshaus Basel applaudiert, jubelte und lachte herzhaft. Die Stimmung war ausgelassen und wurde von Laurin Buser gekonnt moderiert. Auch er ist übrigens ein ehemaliger Meister. Er gewann zweifach den U-20-Titel an der Schweizermeisterschaft und wurde zwei Mal Vize-Champ. Zudem wurde er U-20-Meister an den deutssprachigen U-20-Poetryslam Meisterschaften in Bochum.

Spannende Finalrunde

Wer der jeweilige Gruppensieger war, wurde mit Abstimmungstafeln von 1 bis 10 von einer Publikumsjury ermittelt. Die Tafeln waren vorgängig verteilt worden. Ins Finale und in die vierte Runde schafften es schliesslich die drei jeweiligen Gruppensieger: Christoph Simon, Kilian Ziegler und Marco Gurtner. Eine Wahl des Siegers war ein schieres Ding der Unmöglichkeit. Alle drei hatten die Gäste mit ihren Texten begeistert und setzten mit ihren Finalaufführungen noch eins drauf. Da war Marco Gurtner aus Thun. Grossartig, wie er verschiedene Stimmen imitieren konnte und in seinem Text unter anderem über spiessige Eltern berichtete, wie sie ihrem Kind die Gefahr einer Maschine näherbringen wollten. Die Leute kugelten sich vor Lachen. Dann kam Kilian Ziegler aus Olten. Der Slampoet berichtet über sein Soziologiestudium, welches ihn zum Berufs-Relaxer gemacht hat. Er bezeichnet sich selber als „Chill-Bert Gress“ und „BequEMINEM“ und war ein bisschen besorgt, ob er aufgrund der Überdosis an Gemütlichkeit nicht bald einmal ein Burnout haben werde. Er balancierte gekonnt zwischen witzigen und intelligenten Vergleichen und streute in Nebensätzen speziellen Schenkelklopfer-Humor ein. Diese Witze waren von einer besonderen Qualität: Sie waren so billig, dass man nicht über deren Inhalt, sondern über die Art der Witze lachen musste. Und dies nicht zu knapp. Zum Schluss kam Christoph Simon. Der Berner Schriftsteller stach in jeder Hinsicht heraus. Er war kein Entertainer, keine „Rampensau“ , die rappte, reimte und schauspielerte. Christoph Simon war eher ein bisschen scheu, mit den Händen in den Hosentaschen und setzte einen unterschwelligen britischen Humor ein. Sein Text wirkte deshalb umso intensiver. Er forderte die Gäste auf, mehr Mut zu haben. Die Besucher sollten sich doch selber trauen, einmal auf einer Bühne einen Text vorzutragen oder einmal einen Apfel zu essen, ohne ihn vorher zu waschen. Oder noch besser: Einem Politiker, der eine Familie ausschaffen will, einen Ziegelstein über den Kopf zu hämmern, um so dessen humanitäres Denken zu fördern. 

Christoph Simon bei seiner Siegesansprache. Bild: Hermann-Luc Hardmeier

Der 42-Jährige war anders als die anderen Slammer. Vielleicht war es dies, in Kombination mit der Qualität seines guten Textes, was den Ausschlag gab. Die Gäste klatschten und jubelten ihn schliesslich auf den Poetryslam-Thron. Die Finalisten wurden nicht mit den Tafeln der Vorrunde, sondern anhand der Lautstärke des Applauses des Publikums bewertet. Christoph Simon konnte es gar nicht fassen. Beim Applaus, der ihm galt, hatte er noch die Hand vor das Gesicht gehalten. Er wurde von den Slammern nach seinem Sieg in die Luft gestemmt und ergriff völlig begeistert das Mikrophon: „Wegen meines Alters haben die anderen in der Garderobe ein wenig über mich gespottet. Ich würde sagen, ich habe einfach meine letzte Chance ergriffen.“ Der sympathische Sieger fand die richtigen Worte und genehmigte sich einen kräftigen Schluck des Siegerwhiskeys, bevor er ihn mit den anderen grossartigen Teilnehmern des Poetryslams 2014 teilte. Von Hermann-Luc Hardmeier 

Der Siegerwhiskey wird mit den Mitstreitern ehr und redlich geteilt. Bild: Hermann-Luc Hardmeier

Kilian Ziegler an der Schweizermeisterschaft 2014. Ausschnitt aus dem Text "Die Google-Sichere-Weste".
Video: Hermann-Luc Hardmeier
Hazel Brugger an der Schweizermeisterschaft 2014. Text "Dani".
Video: Hermann-Luc Hardmeier