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Montag, 16. Februar 2015

Muss man beim Auto die Heckscheibe eisfrei kratzen?

Heute gibt's mal wieder Recht und Unrecht und zwar zu einem brandaktuellen Thema: Muss die hintere Scheibe beim Auto eisfrei sein oder nicht? Bei der Serie Recht und Unrecht werden Fragen unserer Leser vom Schaffhauser Rechtsanwalt Beat Hochheuser beantwortet.
Eiskratzen im Winter gehört derzeit für Autofahrer zum täglichen Brot (Foto: SHPol)
Das Thema ist hoch aktuell. Anlässlich der Aktion Eskimo kontrollierte die Schaffhauser Polizei in der Zeitspanne von Montag, 12.01.2015, bis Freitag 06.02.2015 insgesamt 698 Motorfahrzeuge im ganzen Kanton Schaffhausen in Bezug auf die Thematik „Gucklochfahren“. Davon mussten 41 Motorfahrzeuge bzw. deren Zustand beanstandet werdet. 7 Motorfahrzeuge wurden mit vereisten Front- und Seitenscheiben gelenkt, was klar verboten ist. Die fehlbaren FahrzeuglenkerInnen wurden zuhanden der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen verzeigt.

Welche Scheiben müssen komplett eisfrei sein?
Die Frontscheibe und die beiden vorderen Seitenscheiben müssen immer komplett eisfrei sein. Sind die Fahrzeugscheiben also vereist, so müssen die Frontscheibe und die beiden vorderen Seitenscheiben freigekratzt werden. Auf die beiden hinteren Seitenscheiben und die Heckscheibe kann verzichtet werden, wenn zwei Aussenspiegel am Fahrzeug angebracht sind, welche die Sicht nach hinten ermöglichen, also nicht beschlagen oder vereist sind.

Hierzu gibt es auch ein klares Merkblatt Winterzeit der Kantonspolizei St. Gallen, auf welches wir hier gerne verweisen:
Muss ich die Heckscheibe freikratzen? Merkblatt Kapo SG
Zwingend eisfrei müssen also die Frontscheibe sowie die beiden vorderen Seitenscheiben sein. Zudem müssen die beiden äusseren Seitenspiegel klare Sicht nach Hinten ermöglichen. Dies wird auch hier nochmals in der Sendung SRF Espresso so bestätigt. Wir empfehlen natürlich, für den vollen Überblick sämtliche Scheiben komplett freizukratzen - auch für kurze Fahrten und auch wenn die Zeit drängt. Tangierte Rechtsnormen v.a.: Art. 29 SVG (Strassenverkehrsgesetz) und Art. 57 Abs. 2 VRV (Verkehrsregelverordnung).

Muss das Dach vom Auto vom Schnee befreit werden?
Ja, es muss grundsätzlich das gesamte Auto vom Schnee befreit werden, auch das Dach, die Motorhaube, die Nummernschilder (= Kontrollschilder) sowie auch die Lichter wie etwa Front-Scheinwerfer, Rücklicht, Bremslicht, Blinker usw. (siehe Art. 29 SVG sowie Art. 57 Abs. 2 VRV). Der Grund, wieso der Schnee vom Autodach entfernt werden muss, ist, dass der Schnee bei einer Bremsung auf die Frontscheibe rutschen ober bei schneller Fahrt den nachfolgenden Verkehrsteilnehmer behindern könnte.

Rechtliche Konsequenzen bei Nichtbefolgen:
Das Bundesgericht hat schon mehrfach bestätigt, dass jemand, der nur mit einem Guckloch Auto fährt, durch die stark eingeschränkte Sicht sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet und deshalb grobfahrlässig handelt. Bei einem Unfall ist die Versicherung aufgrund der grobfahrlässigen Schadensverursachung berechtigt, die Leistungen zu kürzen und auf den Unfallverursacher Rückgriff zu nehmen. Gucklochfahren ist also gefährlich und teuer.

Auch ein Gucklochfahrer-Entscheid aus dem Kanton Schaffhausen wurde vom Bundesgericht bestätigt, bei dem das Schaffhauser Obergericht von Grobfahrlässigkeit bei Gucklochfahren ausgegangen war:
Ein Autofahrer war am 2. Februar 2006 auf der Schaffhauserstrasse in Beringen von der Schaffhauser Polizei angehalten worden. Die Frontscheibe seines Autos war mit einer Eisschicht bedeckt. Nur auf Augenhöhe hatte er ein Guckloch von rund 15 x 25 Zentimeter Grösse freigekratzt. Die Seitenscheiben waren ebenfalls vereist.

Das Schaffhauser Obergericht sprach ihn dafür 2008 der groben Verkehrsregelverletzung aufgrund des Führens eines nicht betriebssicheren Autos schuldig. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen à 100 Franken und 400 Franken Busse. Das Bundesgericht hat den Entscheid des Obergerichtes Schaffhausen am 16. Januar 2009 bestätigt und die Beschwerde des Autofahrers abgewiesen (SHPol Meldung dazu hier).

Wer mit eingeschränktem Sichtfeld Auto fährt, dem droht nicht nur eine Busse, er muss auch damit rechnen, dass ihm der Führerausweis entzogen wird. Bei einem völligen Verzicht auf das Enteisen ist von einer schweren Widerhandlung auszugehen und mit einem Entzug des Führerscheins von mindestens drei Monaten zu rechnen (Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG). Bei einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerschein für mindestens einen Monat entzogen (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG). Die Mindestentzugsdauer darf auch bei ungetrübtem automobilistischem Leumund nicht unterschritten werden.

Besteht in der Schweiz eine Winterreifenpflicht?
Eine explizite Gesetzesnorm, welche eine generelle Winterreifenpflicht in den Wintermonaten vorschreibt, existiert in der Schweiz nicht. Es gibt jedoch grundsätzliche Gesetzesnormen, welche die Winterreifen tangieren. Art. 29 SVG zur Betriebssicherheit besagt, dass Fahrzeuge nur in betriebssicherem und vorschriftsgemässem Zustand verkehren dürfen. Sie müssen so beschaffen und unterhalten sein, dass die Verkehrsregeln befolgt werden können und dass Führer, Mitfahrende und andere Strassenbenutzer nicht gefährdet und die Strassen nicht beschädigt werden.

Winterreifen wurden für Strasseneinsätze unterhalb von 7 Grad Celsius entwickelt und sind im Vergleich zu den Sommerreifen mit einer weicheren Gummimischung bestückt. Somit reduziert sich der Bremsweg und die Haftung auf nassen, vereisten und verschneiten Strassen wird verbessert.

In BGE 6S.17/2007 hielt das Bundesgericht fest, dass sich ein Fahrzeuglenker mit Sommer­pneus im Winter auf verschneiten Strassen wegen der Verletzung der Artikel 29 und 31 SVG strafbar machen kann. Der betreffende Fahrzeugführer hätte die verschneite Strasse laut Bundesgericht mit seinen Sommerreifen nicht benutzen dürfen, da er mit diesen Reifen nicht angemessen auf die durch Schnee und Eis hervorgerufenen Gefahren reagieren könne. Bei Personen, welche zur Winterzeit ein Fahrzeug mit Sommerreifen lenken und in einen Strassenverkehrsunfall verwickelt sind, können die Haftpflicht- und Kaskoversicherungen ggf. Leistungen kürzen oder Kosten an den Fahrzeuglenker übertragen. Mögliche Konsequenzen sind zudem ein Führerscheinentzug von mindestens einem Monat sowie weitere Bestrafungen wie Bussen und Geldstrafen nach Tagessätzen.

Die Winterreifen müssen zudem eine Profiltiefe von mindestens 1.6mm aufweisen (Art. 58 Abs. 4 VTS - Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeugen).

Rechtsanwalt Beat Hochheuser, Schaffhausen
In der Schaffhausen.net Serie "Recht und Unrecht" werden in regelmässigen Abständen Rechtsfragen von allgemeinem Interesse behandelt, die uns unserer Blogleser einsenden. Die aktuelle Frage zum Verkehrsrecht wurde vom Schaffhauser Rechtsanwalt Beat Hochheuser (www.hochheuser.ch) beantwortet. Weitere Fälle und Lösungen finden sich auf seiner Homepage im Recht-Blog.

Die Ausführungen sind auch für eine juristisch ungeschulte Leserschaft zugeschnitten und loten aus diesem Grund natürlich nicht alle sich stellen Problemfelder aus. Auf Hinweise zu unterschiedlichen Meinungen in Lehre und Rechtsprechung wird deshalb mit Absicht verzichtet. Die Ausführungen dienen ausschliesslich informativen Zwecken. Sie sind allgemeiner Natur und dürfen nicht als verbindliche Rechtsauskunft verstanden werden.

Vielen Dank für die zahlreichen neuen Fragen und Themenvorschläge, welche eingereicht wurden. Wir werden sie nach und nach hier behandeln. Wunschthemen für künftige Ausgaben können wie immer per Email an uns übermittelt werden (siehe Blogimpressum auf der rechten Seite). Fragen von möglichst allgemeinem Interesse und hoher Aktualität haben die besten Chancen.

Dienstag, 9. Dezember 2014

Fotograf oder Auftraggeber - wem gehört das Foto?

So, heute gibt's mal wieder Recht und Unrecht - diesmal aus dem Bereich Fotografie. In unserer Reihe werden rechtliche Fragen unserer Leser von einem Schaffhauser Rechtsanwalt beantwortet. Die Frage lautet heute:

Wem steht das Urheberrecht an den geschossenen Fotos eigentlich zu, dem Fotografen, der das Foto erstellt hat oder der Person, für die er die Fotos macht?

Diese Frage wird durch das Urheberrecht beantwortet, welches in der Schweiz durch das URG - das Urheberrechtsgesetz – geregelt ist. Hier ist vor allem Art. 6 URG wichtig: “Urheber ist die natürliche Person, die das Werk geschaffen hat.”

Daraus geht gleich schon mal hervor, dass der Urheber immer ein Mensch ist – also eine natürliche Person und somit keine juristische Person, keine Firma, kein Unternehmen oder dergleichen. Das Werk stellt bei einem Fotografen die erzeugte Fotografie dar. Laut Art. 2 Abs. 1 URG sind Werke, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck, geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die einen individuellen Charakter haben. In Art. 2 Abs. 2 lit. g URG sind dann auch noch explizit fotografische, filmische und andere visuelle oder audiovisuelle Werke als Beispiele aufgeführt. Das Urheberrecht entsteht automatisch beim Erstellen des Werkes, es ist also keine vorherige Anmeldung bei einem Amt oder dergleichen nötig, wie es etwa beim Markenrecht der Fall wäre. Die Voraussetzungen des individuellen Charakters und der geistigen Schöpfung der Kunst sind vor allem bei lang vorbereiteten Aufnahmen mit speziellen Objektiven, Filtern und dergleichen klar gegeben, können aber auch bei einer Serie von Schnappschüssen etwa in der wohlüberlegten Auswahl und ggf. Nachbearbeitung der einen auserwählten Fotografie bestehen.

Mehrere Personen als Urheber
Grundsätzlich wird also der Fotograf zum alleinigen Urheber. Nach Art. 7 URG ist aber auch eine Miturheberschaft von mehreren Personen möglich. Hier ist z.B. daran zu denken, dass bei einer Porträtaufnahme der Porträtierte bei der Gestaltung des Fotos wesentliche und originelle Bestandteile beitragen kann. In diesem Fall ist die Fotografie als Gemeinschaftswerk zu klassifizieren und beiden Personen steht das Urheberrecht gemeinschaftlich zu (Art. 7 Abs. 1 URG). Wurde nichts anderes unter ihnen vereinbart, so kann das Werk – und somit das Foto – nur unter Zustimmung beider für einen bestimmten Zweck verwendet werden, wobei diese Zustimmung nicht wider Treu und Glauben verweigert werden darf (Art. 7 Abs. 2 URG).

Übertragbarkeit des Urheberrechts an einem Foto
Selbstverständlich kann das Urheberrecht vom ursprünglichen Rechteinhaber auch auf eine andere Person übertragen werden. Dies ergibt sich aus Art. 16 Abs. 1 URG, der besagt, dass das Urheberrecht sowohl übertragbar als auch vererblich ist. Eine Übertragung kann nicht nur an natürliche Personen, sondern auch an juristische Personen, also eine Unternehmung, erfolgen. Da durch das Urheberrechtsgesetz keine weiteren Voraussetzungen festgelegt werden, kann die Übertragung formlos erfolgen, also auch mündlich oder durch konkludentes Handeln (siehe Art. 11 Abs. 1 OR). Insbesondere ist keine schriftliche Abmachung erforderlich.

Fotografen als Angestellte einer Firma
Auch bei in einem Arbeitsverhältnis erstellten Fotografien verbleiben die Urheberrechte grundsätzlich beim angestellten Fotografen. Wenn ein Fotograf als Festangestellter für eine Firma arbeitet, wird die Übertragung der Nutzungsrechte an den Fotos, die er während der Arbeitszeit für seine Firma erstellt, in aller Regel im Arbeitsvertrag festgehalten. Aber auch wenn ein solch expliziter Passus im Arbeitsvertrag fehlt, können Nutzungsrechte auf die Firma übergehen. Der Arbeitgeber hat einen obligatorischen Anspruch auf die Übertragung der Nutzungsrechte im Umfang des Zweckes des Arbeitsverhältnisses, ein Anspruch, der bei einem fest angestellten Fotografen sicher gegeben sein wird. Macht der angestellte Fotograf aber beispielsweise in seinen Ferien private Landschaftsaufnahmen, welche die Firma nachher für ihre Homepage verwenden möchte, so gehen die Nutzungsrechte an diesen Fotos nicht auf die Firma über, da die Erstellung der Fotografien nicht in Erfüllung der Arbeitspflicht erfolgte.

Fotograf im Einzelauftrag für ein bestimmtes Ereignis
Häufig kommt es auch vor, dass der Fotograf nicht fest in einem Arbeitnehmerverhältnis bei einer Firma angestellt ist, sondern als Externer nur einen einzelnen Auftrag erhält, beispielsweise an einem bestimmten Event Fotos zu machen. In diesem Fall liegt juristisch kein Auftrag, sondern ein Werkvertrag vor, da ja Werke erstellt werden (nämlich die Fotos). Innerhalb dieses Werkvertrags sollte auf jeden Fall auch die Übertragung der Nutzungsrechte geregelt werden. Falls keine explizite Regelung erfolgte, muss durch Auslegung ermittelt werden, was der übereinstimmende Parteiwille diesbezüglich gewesen ist.

Verträge mit Fotografen für Einzelaufträge
Die Verträge mit externen Fotografen für einzelne Foto-Aufträge sollten die Nutzungsrechte beider Parteien, also des Auftraggebers und des Fotografen, regeln. Da der Fotograf Fotos und somit Werke erstellt, ist von einem Werkvertrag (Art. 363 ff. OR) auszugehen. Bei diesem verpflichtet sich der Fotograf als Unternehmer zur Herstellung eines Werkes, während der Besteller sich zur Leistung einer Vergütung verpflichtet. Im Vertrag sollten auf jeden Fall die Nutzungsrechte beider Seiten festgelegt werden. Denkbar ist etwa, dass das Nutzungsrecht an den Fotos vertraglich vollständig vom Fotografen an den Besteller übergeht. Das Nutzungsrecht des Bestellers kann aber auch eingeschränkt werden, so dass er ein Foto nur zum im Vertrag beschriebenen Zweck verwenden kann, beispielsweise zur Publikation in einer bestimmten Ausgabe eines Kataloges.

Zudem sollte festgehalten werden, ob Optionen zu weiteren Verwendungszwecken seitens des Bestellers bestehen. Wenn ja, regelt man am besten auch gleich daraus entstehende zusätzliche Honorare des Fotografen. Des Weiteren sollte auf das Änderungsrecht an den Fotos eingegangen werden – also ob der Besteller das Foto vor dem Abdrucken selbst verändern darf, oder ob solche Änderungen beispielsweise allein dem Fotografen vorbehalten bleiben. Auch können gewisse Nutzungen vertraglich explizit ausgeschlossen werden, beispielsweise eine digitale Veröffentlichung im Internet, wenn nur das Abdrucken (in einer bestimmten Auflösung) erlaubt werden soll.

Rechte und Möglichkeiten des Urhebers sich zu wehren
Wird der Urheber in seinen Rechten verletzt, gibt ihm das Urheberrecht die Möglichkeit, gegen die Verletzung vorzugehen. Die entsprechenden Rechtsmittel finden sich in Art. 61 ff. URG. Zunächst hat der Urheber die Möglichkeit, bei bewiesenem bestehendem Interesse durch ein Gericht feststellen zu lassen, dass eine Verletzung seines Urheberrechtes überhaupt besteht (Art. 61 URG). Zudem kann, wer in seinem Urheberrecht gefährdet oder verletzt ist, gerichtlich verlangen, die drohende Verletzung zu verbieten oder eine bestehende Verletzung zu beseitigen (Art. 62 Abs. 1 lit. a und b URG). Der Beklagte kann vom Gericht verpflichtet werden, Herkunft und Menge sowie Abnehmer der widerrechtlich hergestellten oder in Verkehr gebrachten Fotos zu nennen (Art. 62 Abs. 1 lit. c URG). Des Weiteren kann man natürlich auch noch nach Obligationenrecht auf Schadenersatz, Genugtuung sowie Herausgabe des Gewinnes klagen und zwar nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 62 Abs. 2 URG i.V.m. Art. 419 ff. OR). Im Weiteren kann das Gericht die Einziehung und Verwertung oder Vernichtung der widerrechtlich hergestellten Gegenstände oder der vorwiegend zu ihrer Herstellung dienenden Einrichtungen, Geräte und sonstigen Mittel anordnen (Art. 63 Abs. 1 URG). Nach Art. 65 URG sind auch vorsorgliche Massnahmen etwa zur Beweissicherung oder vorläufigen Vollstreckung von Unterlassungsansprüchen beantragbar. Schliesslich kann auch noch verlangt werden, dass das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei publiziert wird (Art. 66 URG).

Auf Antrag der in ihrem Urheberrecht verletzten Person sind neben den oben ausgeführten Zivilforderungen auch noch die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe möglich (Art. 67 URG). Diese Strafen können zur Anwendung gelangen, wenn der Verletzer des Urheberrechtes vorsätzlich, also mit Wissen und Willen handelt und unrechtmässig beispielsweise ein Foto veröffentlicht oder ändert. 

Rechtsanwalt Beat Hochheuser, Schaffhausen,
 zum Thema Urheberrecht bei Fotos
In der Schaffhausen.net Serie "Recht und Unrecht" werden in regelmässigen Abständen Rechtsfragen von allgemeinem Interesse behandelt, die uns unserer Blogleser einsenden.

Die aktuelle Frage zum Urheberrecht an von Fotografen erstellten Fotografien wurde vom Schaffhauser Rechtsanwalt Beat Hochheuser beantwortet. Weitere Fälle und Lösungen finden sich auch im Recht-Blog. Die Ausführungen sind auch für eine juristisch ungeschulte Leserschaft zugeschnitten und loten aus diesem Grund natürlich nicht alle sich stellen Problemfelder aus. Auf Hinweise zu unterschiedlichen Meinungen in Lehre und Rechtsprechung wird deshalb mit Absicht verzichtet.

Vielen Dank für die ganzen neuen Fragen und Themenvorschläge, die eingereicht wurden. Wir werden viele davon nach und nach hier behandeln. Wunschthemen für künftige Ausgaben können wie immer per Email an uns übermittelt werden. Fragen von möglichst allgemeinem Interesse haben die besten Chancen.

Donnerstag, 1. Mai 2014

Kernstück fotografieren und Foto verkaufen - legal?

Heute gibt's mal wieder eine neue Folge von "Recht und Unrecht in Schaffhausen", der Reihe auf dem Schaffhausen.net Blog, bei der von Lesern eingesendete Rechtsfragen von einem Rechtsanwalt beantwortet werden. Die heutige Frage kommt von einem Schaffhauser Künstler. Er schickte uns folgende Frage ein, die wir gleich im Anschluss beantworten, vielen Dank dafür!

"Wenn ich das Kunstwerk "Kernstück" im Schauweckergut beim Salzstadel in Schaffhausen fotografiere, kann ich diese Aufnahmen dann für Arbeiten von mir (z.B. einen Fotoband) verwenden und diese - ohne eine Genehmigung dafür einholen zu müssen - verkaufen? Oder ist dies nicht zulässig bzw. habe ich Abgaben zu bezahlen, da es nicht ein von mir geschaffenes Kunstwerk ist?"
Das Kernstück in Schaffhausen. Es steht im Schauweckergut beim Salzstadel.
Zunächst bleibt einmal festzuhalten, was jeder eigentlich instinktiv richtig weiss: Für den Eigengebrauch bzw. eine nicht kommerzielle Nutzung darf man grundsätzlich jedes Kunstwerk fotografieren. Beispielsweise auch in einem Museum (sofern nicht durch das Museum selbst - sprich durch die Hausordnung verboten). Dies ergibt sich aus Art. 19 URG (Urheberrechtsgesetz des Bundes):

Art. 19 Abs. 1 URG:
Veröffentlichte Werke dürfen zum Eigengebrauch verwendet werden. Als Eigengebrauch gilt:
a. jede Werkverwendung im persönlichen Bereich und im Kreis von Personen, die unter sich eng verbunden sind, wie Verwandte oder Freunde;
b. jede Werkverwendung der Lehrperson für den Unterricht in der Klasse;
c. das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben, öffentlichen Verwaltungen, Instituten, Kommissionen und ähnlichen Einrichtungen für die interne Information oder Dokumentation.

Soweit, so gut. Nun geht die Frage des Künstlers aber weiter. Er möchte das Foto, welches er vom Kernstück gemacht hat, nicht nur in seine private Fotosammlung aufnehmen, sondern er möchte es gewinnbringend verkaufen, beispielsweise als Teil eines Fotobandes über Schaffhausen.

Die entsprechende Regelung findet sich ebenfalls im Urheberrecht, nämlich in Art. 27 URG:

Art. 27 Abs. 1 URG:
Ein Werk, das sich bleibend an oder auf allgemein zugänglichem Grund befindet, darf abgebildet werden; die Abbildung darf angeboten, veräussert, gesendet oder sonst wie verbreitet werden.

Treffer, der Künstler darf also sein Foto des Kernstücks "veräussern", was so viel wie verkaufen bedeutet.

Nicht zutreffend wäre diese Regelung, wenn das Kunstwerk nur vorübergehend und somit nicht auf unbestimmte Zeit am betreffenden Ort aufgestellt werden würde. Wenn also der Künstler beispielsweise auch noch die farbigen Bänklein, welche im Sommer 2013 in der Stadt Schaffhausen aufgestellt waren, in seinen Fotoband aufnehmen wollte, so wäre diese Voraussetzung nicht erfüllt.
Farbiges Bänklein aus der Sommeraktion 2013 von Pro City Schaffhausen
Die Bänklein sollten von Anfang an nur von Mai bis Oktober 2013 in der Schaffhauser Altstadt aufgestellt werden. Somit standen sie zwar auf allgemein zugänglichem Grund, jedoch war das Aufstellen der Bänklein von Anfang an nur für sechs Monate geplant und somit nicht "bleibend" im Sinne des Bundesgesetztes über das Urheberrecht. Es müsste eine entsprechende Bewilligung beim Rechteinhaber eingeholt werden, welche dieser ggf. mit einer Gebühr verbinden könnte.

Für Zeitungen und dergleichen besteht übrigens bei der Berichterstattung über aktuelle Ereignisse eine weitere Lockerung des Urheberschutzes, welche sich in Art. 28 URG findet:

Art. 28 Abs. 1 URG:
Soweit es für die Berichterstattung über aktuelle Ereignisse erforderlich ist, dürfen die dabei wahrgenommenen Werke aufgezeichnet, vervielfältigt, vorgeführt, gesendet, verbreitet oder sonst wie wahrnehmbar gemacht werden.

Antwort von Rechtsanwalt Beat Hochheuser, Schaffhausen
In der Serie "Recht und Unrecht in Schaffhausen" werden regelmässig Rechtsfragen unserer Blogleser behandelt. Die aktuelle Frage zur kommerziellen Nutzung von Fotografien dauerhaft öffentlich ausgestellter Werke wurde vom Schaffhauser Rechtsanwalt Beat Hochheuser beantwortet. Weitere Fälle und Lösungen finden sich auch im Recht-Blog.

Die Ausführungen sind auch für eine juristisch ungeschulte Leserschaft zugeschnitten und loten aus diesem Grund freilich nicht alle sich stellen Problemfelder aus. Auf Hinweise zu unterschiedlichen Meinungen in Lehre und Rechtsprechung wird aus diesem Grund hier mit Absicht verzichtet.

Da es sich um Regelungen aus einem Bundesgesetz handelt, gelten die Erläuterungen  nicht nur für Schaffhausen, sondern für die ganze Schweiz. Vielen Dank für die vielen neuen Fragen und Themenvorschläge, welche eingereicht wurden. Wir werden sie nach und nach hier behandeln. Wunschthemen für künftige Ausgaben bitte wie immer per Email.

Freitag, 11. April 2014

Das Recht auf Vergessen in Schaffhausen - Internet Law

Auf vielfachen Wunsch gibt es heute eine neue Ausgabe aus unserer Reihe: "Recht und Unrecht in Schaffhausen". Diesmal: "Das Recht auf Vergessen in Schaffhausen" und zwar speziell in Bezug auf das Internet. Das Internet vergisst nichts, so sagt man. Doch gibt es nicht Situationen, in denen sogar ein gewisses "Recht auf Vergessen" besteht? Dieser Frage wollen wir heute mit einem illustren Beispiel auf den Grund gehen.
Das Internet vergisst nichts - aber gibt es nicht sogar ein Recht auf Vergessen?
Grundsätzlich lässt sich ein – in der Schweiz bis jetzt nicht sonderlich prominent diskutiertes – Recht auf Vergessen aus dem Persönlichkeitsschutz, verankert in Art. 28 ZGB (Zivilgesetzbuch), ableiten. Dieses Recht auf Vergessenwerden soll sicherstellen, dass (digitale) Informationen mit einem Personenbezug nicht zeitlich uneingeschränkt zur Verfügung stehen.
Um das Problem genauer zu beleuchten und mögliche Lösungswege aufzuzeigen, folgt nun ein Beispiel. Sämtliche Personen und Ereignisse sind völlig frei erfunden und stehen mit keinen lebenden oder toten Personen in irgendeinem Zusammenhang.

Der Fall Kellerhals
Ursli Kellerhals betreibt in Schaffhausen einen stadtbekannten Blog im Internet, auf welchem er über aktuelle Geschehnisse in der Munotstadt berichtet. Bei seinen Recherchen für neue Blogbeiträge durchforstet er auch häufig das Onlinearchiv der Lokalzeitung: “Der tägliche Rheinfall”. Bei der Suche nach Informationen über die bereits einige Jahre zurückliegende Munotverschwörung stolpert er über einen Bericht, aus dem hervorgeht, dass sein Nachbar Hansi Wernli, wohnhaft an der Möcklistrasse Nr. 007, vor 16 Jahren eine unbedingte Freiheitsstrafe verbüssen musste.

Da Ursli ohnehin schon lange einmal einen kleinen Beitrag über die illustren Bewohner des Möckliquartieres in Schaffhausen verfassen wollte, packt er die Gelegenheit beim Schopfe und berichtet in diesem Zuge auch über die längst abgesessene Freiheitsstrafe des Hansi Wernli.

Hansi Wernli ist über diese Erwähnung im bekannten Schaffhauser Blog natürlich nicht sehr erfreut und wendet sich an den auf das Internetrecht spezialisierten Schaffhauser Anwalt Isidor Tastenmann. Der gewiefte Internetanwalt Tastenmann sieht im Beitrag eine Verletzung der Ehre seines Mandanten durch die Erwähnung der bereits 16 Jahre zurückliegenden Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe. Zudem ist aus seiner Sicht durch die Erwähnung, welche Dritte erneut an einen längst passierten Vorfall erinnert, auch eine Verletzung der Privatsphäre des Hansi Wernli gegeben. Ein derartiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines Menschen wiegt schwer und kann nicht als das richtige Mittel zu einem berechtigten Zweck qualifiziert werden. Nach kurze Recherche im Onlinearchiv des Bundesgerichtes findet Isidor Tastenmann auch noch den passenden Bundesgerichtsentscheid: BGE 122 III 449.

Um die Sache möglichst schnell und unkompliziert aus der Welt zu schaffen, kontaktiert Anwalt Tastenmann den Blogschreiber Ursli Kellerhals, konfrontiert diesen mit seinen gewonnen Erkenntnissen und ersucht ihn um sofortige Löschung des Blogbeitrages. Kellerhals fällt aus allen Wolken, soweit hatte er in seiner Schreibeuphorie gar nicht gedacht. Er löscht den Blogartikel sofort aus seinem Internetblog. Hansi Wernli ist nicht erfreut, dass der Blogeintrag vor der Löschung sicherlich schon von einigen Schaffhausern gelesen wurde. Gleichwohl ist er überaus froh und dankbar, dass die Angelegenheit so umgehend und unbürokratisch bereinigt werden konnte. Da Wernli selbst den Schaffhauser Blog sehr gerne liest und dem jungen Blog-Schreiber keine unnötigen Steine in den Weg legen möchte, verzichtet er auf weitere Schritte.

In seinem Antwort-Mail an Rechtsanwalt Tastenmann möchte Blog-Autor Kellerhals dann doch gerne noch wissen, ob es denn auch Situationen gebe, in denen er einen solchen Blogbeitrag publizieren dürfte. Tastenmann schreibt ihm als Antwort, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse am Vorleben von Hansi Wernli einen solchen Beitrag rechtfertigen könnte. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn Wernli für das Amt des Stadtpräsidenten von Schaffhausen kandidieren würde.

Der Beitrag "Das Recht auf Vergessen in Schaffhausen" ist ein Artikel aus der Serie "Recht und Unrecht in Schaffhausen", die in regelmässigen Abständen auf Schaffhausen.net publiziert wird und interessante Rechtsfragen auf möglichst einfache und verständliche Art behandelt. Die rechtlichen Probleme und Fragestellungen werden vom Schaffhauser Rechtsanwalt lic. iur Beat Hochheuser (www.hochheuser.ch) beleuchtet, weitere Fälle finden sich im Jus-Blog. Die Erläuterungen sind für juristisch nicht ausgebildete Leser ausgelegt und loten deshalb nicht alle dogmatischen Probleme aus. Auf Ausführungen zu Kontroversen in Rechtsprechung und Lehre wird daher bewusst verzichtet. Die Erklärungen und Hinweise beschränken sich auf die augenscheinlichsten Fragen und stellen eine mögliche Lösung dar. Die Ausführungen gelten natürlich nicht nur für Schaffhausen, sondern für die gesamte Schweiz. Vielen Dank für die eingegangen Themenwünsche. Wunschthemen für künftige Ausgaben bitte wie immer per Email einreichen.

Dienstag, 2. Juli 2013

Was dürfen Türsteher und was dürfen sie nicht?

In unserer Reihe: "Recht und Unrecht in Schaffhausen" widmen wir uns heute dem Thema: "Was dürfen Türsteher und was dürfen sie nicht?". Die juristischen Fragen können uns von unseren Lesern eingesendet werden (siehe Blogimpressum rechts). Sie werden vom Schaffhauser Rechtsanwalt Beat Hochheuser für Schaffhausen.net beantwortet.

Was dürfen Türsteher und was dürfen sie nicht?
Die Frage, was private Sicherheitsleute dürfen und was sie nicht dürfen, stellt sich besonders häufig im Ausgangsleben. Die Security wird vom Clubbetreiber angestellt und ist für die Sicherheit an einer Veranstaltung wie zum Beispiel einer Party oder einem Konzert besorgt. Dabei geht es darum, dass sich die Türsteher in erster Linie darum kümmern, dass die Hausregeln von den Gästen eingehalten werden. Um die Hausregeln durchzusetzen dürfen die Sicherheitsleute aber grundsätzlich keine Gewalt und andere Zwangsmassnahmen anwenden. Gerät die Situation ausser Kontrolle, so haben die Sercuritas die Schaffhauser Polizei zu kontaktieren, denn das Gewaltmonopol liegt beim Staat und wird im Regelfall durch die Polizei wahrgenommen.


Um die Hausregeln durchzusetzen haben die privaten Sicherheitsleute zunächst einmal die Möglichkeit, Personen den Zutritt zur Veranstaltung von Anfang an zu verweigern. Dies auch ohne Angabe von Gründen. Wenn sie einem Partygast den Zugang gewähren und sich dieser nachher nicht korrekt verhält, hat die Security die Möglichkeit, den Partygast der Veranstaltung zu verweisen. Dem Verweis der Security muss der Partygast im Allgemeinen jedoch aus eigenen Stücken nachkommen. Tut der Partygast dies trotz Aufforderung nicht, dürfen die Sicherheitsleute grundsätzlich keine Gewalt anwenden, denn Gewalt darf jeweils nur als äusserstes Mittel angewendet werden und die Gewaltanwendung muss stets verhältnismässig sein (vgl. auch Art. 200 StPO).

Bei den angestellten Sicherheitsleuten handelt es sich um keine Polizisten. Somit ist es der Security - wie anderen Privatpersonen ebenfalls - im Allgemeinen nicht gestattet, Gewalt anzuwenden. Selbstverständlich gibt es von diesem Grundsatz Ausnahmen (die im Übrigen auch für alle anderen Privatpersonen gelten):

Notwehr (Art. 15 StGB): Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.

Notstand (Art. 17 StGB): Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.

Vorläufige Festnahme durch Privatpersonen (Art. 218 StPO): Kann polizeiliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden, so sind Private berechtigt, eine Person vorläufig festzunehmen, wenn sie diese bei einem Verbrechen oder Vergehen auf frischer Tat ertappt oder unmittelbar nach der Begehung einer solchen Tat angetroffen haben. Die vorläufig festgenommene Person ist so rasch als möglich der Polizei zu übergeben.

Im Allgemeinen darf Gewalt aber auch bei diesen Ausnahmen nur als äusserstes Mittel angewendet werden und die Gewaltanwendung muss stets verhältnismässig sein (vgl. Art. 200 StPO).

Zum Veranschaulichen der Gesetzesregeln hier einige Beispiele:

Beispiel 1: Missachtung des Rauchverbots
In einem Club, in welchem man laut den Hausregeln nicht rauchen darf, zündet sich an einer Hip Hop Party ein kräftig gebauter Partybesucher eine Zigarette an und raucht diese auf der Tanzfläche. Ein Security bemerkt dies und fordert den Partygast auf, die Zigarette auszumachen. Der Partybesucher meint, er lasse sich hier von einem daher gelaufenen Sicherheitsmann sicher nichts sagen. Er sei ein spezieller Freund des DJs und könne hier machen, was er wolle. Der Türsteher lässt sich dies nicht gefallen, überwältigt den Partygast mit einem unerwarteten Schlag und nimmt diesen anschliessend in den Schwitzkasten, um ihn aus dem Club zu befördern. Darf der Security dies?

Nein, die Gewaltanwendung des Türstehers war klar unverhältnismässig und somit unzulässig.

Beispiel 2: Security wird von Partygast geschlagen
An einer Party hat ein Partygast schon ziemlich viel getrunken und beschimpft andere Partygäste lautstark. Ein Türsteher bekommt dies mit. Um spätere Eskalationen zu verhindern, bittet er den Partygast freundlich, den Club zu verlassen. Der Partygast empfindet dieses Vorgehen als eine bodenlose Frechheit und beginnt auf den Türsteher heftig einzuschlagen. Der Türsteher setzt das Mindestmass an Gewalt an, um den Angriff des betrunkenen Partygasts abzuwehren. Darf der Security dies?

Ja, das darf er. Hier greift die Ausnahme der oben erwähnten rechtfertigenden Notwehr. Der Türsteher wurde ohne Recht angegriffen und ist somit berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren (Art. 15 StGB). Da der Security laut Sachverhalt nur das Mindestmass an Gewalt angewendet hat, hat er zudem verhältnismässig gehandelt (vgl. Art. 200 StPO) und es liegt kein Notwehrexzess vor.

Beispiel 3: Partygast wird geschlagen und Türsteher greift ein
An einer Party bekommt ein Türsteher mit, wie ein grosser, kräftig gebauter Partybesucher zu einem anderen kleinen und schmalen Partygast von schwacher Statur mit reichlich Pickeln im Gesicht sagt, dass ihm seine Visage nicht gefalle und eine "Fuust id Fresse" diese nur noch verschönern könnte. Sodann beginnt er auch umgehend mit seiner kostenlosen Verschönerungskur und schlägt wild auf den anderen Partygast ein, der noch gar nicht ganz begriffen hat, wie ihm geschieht und auch schon stark blutet. Der Security setzt das Mindestmass an Gewalt an, um den Angriff des bulligen Partygasts auf den zierlichen Partybesucher zu beenden. Darf der Security dies?

Ja, das darf er. Bei diesem Sachverhalt kommt ebenfalls eine Ausnahme (Notwehrhilfe, Art. 15 StGB) zum Zuge. Der Security greift ein, um den Angriff auf eine anderen Person abzuwehren. Da der Türsteher laut Sachverhalt nur das Mindestmass an Gewalt anwendet hat, war seine Handlung verhältnismässig (vgl. Art. 200 StPO).

Beim Artikel "Was dürfen Türsteher und was dürfen sie nicht?" handelt es sich um einen Beitrag aus der Serie "Recht und Unrecht in Schaffhausen", welche regelmässig auf Schaffhausen.net erscheint und häufige Rechtsfragen sowie populäre Rechtsirrtümer behandeln. Die Fragen werden vom Schaffhauser Anwalt lic. iur. Beat Hochheuser beantwortet. Die Lösungsvorschläge sind für juristische Laien konzipiert und loten deshalb freilich nicht jedes dogmatische Problem aus. Auf die Darstellung von Kontroversen in Lehre und Rechtsprechung wird in diesem Rahmen bewusst grundsätzlich verzichtet. Die Erklärungen beschränken sich auf die Erörterung der wesentlichsten Fragen und beschreiben eine mögliche Lösung der Fragestellung. Die Erläuterungen gelten freilich nicht nur für Schaffhausen, sondern für die gesamte Schweiz (ausser es ist kantonales oder kommunales Recht betroffen, dann weisen wir jeweils darauf hin). Themenwünsche für künftige Ausgaben können gerne per Email eingereicht werden (siehe Blog-Impressum auf der rechten Seite).

Mittwoch, 22. Mai 2013

Recht und Unrecht in Schaffhausen - Teil 1

In unserer neuen Serie, Recht und Unrecht in Schaffhausen, behandeln wir populäre Rechtsirrtümer und Rechtsunsicherheiten und erläutern die rechtliche Lage. Die Erklärungen gelten natürlich nicht nur für Schaffhausen, sondern für die gesamte Schweiz (ausser es ist kantonales oder kommunales Recht betroffen, in diesem Fall weisen wir jeweils darauf hin). Da der Text für juristische Laien gut lesbar und einfach verständlich sein soll und die Antworten möglichst kurz gehalten sind, wird nicht in die Tiefe gegangen und auf die sonst in der Juristerei üblichen Verweise auf Gesetzesartikel, Literatur und Gerichtsentscheide verzichtet. Die Fragen werden vom Schaffhauser Rechtsanwalt Beat Hochheuser beantwortet. Eigene Fragen können gerne für zukünftige Ausgaben per Email eingesendet werden, siehe Emailadresse rechts im Blog Impressum.

1. In einem Geschäft hängt neben der ausgestellten Ware folgender Zettel: "Wer die Verpackung öffnet, muss das Produkt kaufen". Stimmt das?

Antwort: Nein, das stimmt nicht. Damit der Kunde die Ware kauft, müsste ein Kaufvertrag abgeschlossen worden sein. Das ist aber vorliegend nicht der Fall. Ein Vertrag kommt erst durch eine zweiseitige übereinstimmende Willenserklärung zu Stande. Vorliegend möchte der Verkäufer zwar, dass der Kunde die Ware kauft, der Kunde möchte dies aber nicht. Somit ist der Kaufvertrag schon aus diesem Grund nicht gültig zu Stande gekommen. Der Kunde wollte lediglich die Verpackung öffnen, um zu schauen, wie die Ware aussieht oder was in der Verpackung alles enthalten ist. Falls dem Verkäufer durch das Verhalten des Kunden ein gewisser Schaden entstanden ist (Beschädigung der Verpackung), müsste der Kunde für diesen Schaden aufkommen (Kosten für eine neue Verpackung). Die Ware kaufen muss er hingegen nicht, wenn er dies nicht möchte.

2. Am Zaun von einer Baustelle hängt ein Schild: "Eltern haften für ihre Kinder". Stimmt das?

Antwort: Nein, so pauschal stimmt das nicht, obwohl solch ein Schild an praktisch jedem Bauzaun hängt. Auch hat dieser Hinweis keinen Einfluss, da das Gesetz ja ohnehin auch für betreffende Baustelle gilt. Die relevante Gesetzesbestimmung findet sich in Art. 333 Abs. 1 ZGB: "Verursacht ein minderjähriger (...) Hausgenosse einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat".

Mit dem minderjährigen Hausgenosse ist das im Haushalt lebende Kind unter 18 Jahren gemeint. Das Familienhaupt sind die beiden Eltern (nicht nur der Vater, wie teilweise fälschlicherweise angenommen wird). Nun kann von den Eltern nicht verlangt werden, dass sie permanent auf ein schon älteres Kind aufpassen. Das Kind lässt man auch mal allein spielen gehen, das ist üblich, vor allem wenn es sich in ähnlichen Situationen sonst vernünftig verhält. Wenn die Eltern also das gebotene Mass an Sorgfalt beim Beaufsichtigen beachtet haben, sind sie für den Schaden, den das Kind verursacht, nicht verantwortlich. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch Art. 19 Abs. 3 ZGB: "Urteilsfähige unmündige Personen werden aus unerlaubter Handlung schadenersatzpflichtig". Das Kind kann demnach selbst für den Schaden haftbar gemacht werden, sofern es urteilsfähig war. Die pauschale Aussage auf dem Schild am Baustellenzaun ist also nicht korrekt. Die Eltern haften nur bei einer Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht.

3. Im Laden für Unterhaltungselekronik sind die neusten Flatscreen-Fernseher auf wackligen Kartonschachteln freistehend in der Mitte des Raumes aufgestellt. Ein Fernseher wird von einem Kunden unabsichtlich leicht touchiert und fällt zu Boden. Der Flachbildfernseher erleidet einen Totalschaden. Muss der Kunde für den vollen Schaden aufkommen?

Antwort: Nein, der Kunde muss nicht für den vollen Schaden aufkommen. Haften könnte der Kunde aus unerlaubter Handlung und somit ausservertraglich nach Art. 41 Abs. 1 OR. Hierbei handelt es sich um eine Verschuldenshaftung, was bedeutet, dass für die Schadenersatzpflicht des Kunden ein Verschulden bei ihm vorliegen müsste. Die Schuld kann sich aus Vorsatz oder aus Fahrlässigkeit ergeben. Vorliegend ist die Schuld aber offensichtlich viel eher beim Geschäft bzw. deren Mitarbeitern zu suchen, welche die Fernseher nur sehr unsicher auf wackeligen Kartonschachteln aufgebaut haben. Vor allem wenn die Ware im Laden so dicht aufgebaut ist, dass man sich als Kunde kaum bewegen kann, ohne ein Produkt zu berühren und das Produkt dann auch noch wackelig aufgestellt ist, trifft den Kunden keine Schuld. Somit wird der Kunde auch nicht schadenersatzpflichtig, schon gar nicht für den vollen Schaden, da das Geschäft bzw. die Mitarbeiter auch zumindest eine nicht unerhebliche Teilschuld trifft.

Die neue Serie "Recht und Unrecht in Schaffhausen" wird ab jetzt regelmässig hier auf Schaffhausen.net erscheinen und häufige Rechtsfragen und populäre Rechtsirrtümer behandeln. Die Fragen werden vom Schaffhauser Rechtsanwalt Beat Hochheuser beantwortet. Die Lösungsvorschläge sind für juristische Laien geschrieben und loten deshalb selbstverständlich nicht jedes dogmatische Problem aus und verzichten grundsätzlich auf die Darstellung von Kontroversen in Lehre und Rechtsprechung. Sie beschränken sich auf die Erörterung der wesentlichsten Fragen und beschreiben eine mögliche Lösung der Fragestellung. Themenwünsche für künftige Ausgaben können gerne per Email eingereicht werden (siehe Blog-Impressum auf der rechten Seite).